Orchester 4
Susi Sorgenfrei | 21.02.2011 2 0
Zwei Geigen und ein Cello……4 Fortsetzung
Die kleine Geige hatte einen Riesenfehler begangen.
In einem Anflug von Gefühlen, wahren Gefühlen, und ihrer unstillbaren Sehnsucht hatte sie dem Cello ihr Herz offen gelegt.
Inzwischen glaubte sie, dass dieses viel zu früh geschehen war.
Aber sie konnte es nicht mehr rückgängig machen.
Dann würde sie sich doch selbst bestrafen für Gefühle, für welche sie doch nichts konnte.
Eine Woche nun schon war die tonangebende Geige wieder im Orchester.
Für die kleine Geige schienen Ewigkeiten ins Land gegangen.
Inzwischen war es Abend geworden.
Die Instrumente stimmten sich leise auf das bevorstehende Konzert ein.
Noch am Morgen hatte die kleine Geige mit dem Cello gesprochen.
Doch es schien irgendetwas zwischen ihnen zu stehen.
Irgendetwas !
Die kleine Geige stimmte sich auch ein. Aber ihre Töne verließen zaghaft die Saiten.
Der Bogen entlockte ihnen zwar die Töne. Doch sie klangen so ganz anders als sonst.
Die kleine Geige war müde.
Sie wollte fort.
Doch sie brachte es nicht übers Herz.
Wieder und wieder suchten ihre verzweifelten Blicke eine Antwort in den Augen des Cellos.
Doch dieses schien ganz woanders zu sein.
Die sehnsuchtsvollen leisen Töne verhallten irgendwo im Nichts.
Und sie erreichten das Cello nicht.
Plötzlich erklang ein Ton von einer ihrer Saiten, der nichts mehr mit Musik zu tun hatte.
Eine ihrer Saiten riss in einem Ton, der die anderen Instrumente innehalten ließ.
Alle schauten zu der kleinen Geige.
Der Bogen glitt zu Boden.
Die kleine Geige hätte sich am liebsten unsichtbar gemacht.
Und alle starrten sie an.
Boden öffne Dich und lass mich in Dir versinken ! – dachte die kleine Geige.
Sekunden wurden zu Minuten, Minuten zu Stunden, ehe die anderen Instrumente wieder mit ihren Aufwärmübungen begannen.
Dann musste die kleine Geige fort.
Keiner kümmerte sich mehr um die zerrissene Saite.
Sie durfte nicht an diesem Konzert teilhaben.
Man verbannte sie in ihren Koffer.
Verzweifelt versuchte sie noch einen Blickkontakt zum Cello herzustellen.
Doch auch dieses scheiterte ebenso kläglich wie ihr Versuch in ein neues Leben zu gelangen.
Vorbei – so schrie es in ihr – vorbei !
Nimmer mehr würde sie ihre Saiten so hingebungsvoll erklingen lassen.
Nimmer mehr !
Sie hatte alles gegeben und schien verloren zu haben.
Und noch Stunden später klang aus dem Koffer der kleinen Geige eine sehnsuchtsvolle Melodie.
Gespielt von den Tränen, die nie mehr versiegen würden.
Geweint um das große Cello, denn sie war doch nur die kleine Geige !
Bitte melde dich an, um Kommentare zu lesen und hinzuzufügen.